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Analyse April 2016

Sind die Zentralbanken am Ende?

 

Die Regierungen der Industrieländer sind nicht mehr in der Lage, das Wirtschaftswachstum mit aggressiveren, budgetpolischen Massnahmen zu stimulieren oder wenigstens zu stützen, da die massiv angestiegene Verschuldung dieser Länder infolge der Finanzkrise von 2008 die Umsetzung einer Austeritätspolitik verlangte, um die öffentlichen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen.

Unter diesen Voraussetzungen und um ihrer Verpflichtung nachzukommen, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, haben die Regierungen ihre Zentralbanken damit beauftragt, die budgetpolitische Stimulierung durch eine geldpolitische Stimulierung zu ersetzen (Abb. 1). Kurz: Da wir nicht in der Lage sind, Darlehen in grossem Umfang aufzunehmen, um ein Budgetdefizit zu finanzieren, das durch die wachsenden Staatsausgaben entstanden ist, beauftragen wir die Zentralbank damit, Geld in grossem Umfang so billig zur Verfügung zu stellen, dass die privaten Haushalte und die Unternehmen massiv Kredite für ihre Konsum- bzw. Investitionsausgaben aufnehmen werden. Die daraus resultierende erhöhte Nachfrage soll einerseits die Wirtschaft stimulieren und andererseits die Rückkehr zu einer positiven Inflation fördern, die bei einer hohen Verschuldung immer willkommen ist.

Warum funktioniert es nicht?

Die Gründe für diesen Misserfolg sind zahlreich und betreffen sowohl die Wirtschaftsstrukturen als auch den Konjunkturzyklus. Um die Effizienz der geldpolitischen Stimulierung zu gewährleisten, wird das Bankensystem als Übertragungsmechanismus benutzt. Da es seit 2008 jedoch zu einer richtiggehenden Flut von aufsichtsrechtlichen Vorschriften für die Banken gekommen ist, haben sich die Bilanzsumme und das von den Finanzinstituten akzeptierte Risikoniveau stetig verringert. Wie soll es den Banken unter diesen Umständen möglich sein, ihre Kreditportfolios markant auszubauen? Im Weiteren hat die Einführung von Negativzinsen den Interbankenmarkt ausgetrocknet. Die Banken leihen sich gegenseitig kein Geld mehr aus. Keine davon ist bereit, die Gelder einer anderen Finanzinstitution anzunehmen, um in der Folge einen Liquiditätsüberschuss aufzuweisen und Negativzinsen zahlen zu müssen…

Diese Zurückhaltung wird durch die Situation der Schuldner verschärft, die sich trotz attraktiver Zinsen nicht noch mehr verschulden möchten. Die privaten Haushalte müssen bereits hohe Schulden bedienen und sehen die Probleme einer überalternden Gesellschaft auf sich zukommen; folglich neigen auch sie dazu, weniger zu konsumieren. Beim Privatkonsum ist es bestenfalls zu einer Beschleunigung bei den Autoverkäufen gekommen, da die Käufer von den günstigen Leasingbedingungen profitieren möchten. Die Unternehmen sehen sich ihrerseits mit den grossen Unwägbarkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung konfrontiert. Dazu haben sie auch allen Grund: Die Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit scheint sich zu bestätigen und das aktuelle Zinsniveau bedeutet, das mit einer länger anhaltenden Stagnation oder sogar Deflation gerechnet wird. All diese Faktoren sprechen nicht gerade dafür, dass sich Investitionen in den Produktionsapparat bezahlt machen werden. Die Unternehmen tätigen daher weiterhin Investitionen, um ihren Produktionsapparat zu unterhalten. Sie sind aber nicht bereit, diesen weiter auszubauen.

Letztlich wird das Wachstum der Realwirtschaft paradoxerweise durch die Veränderungen abgebremst, die auf dem Niveau der wirtschaftlichen Strukturen mit der Disintermediation, der Share Economy und der Proximity Economy stattfinden, während der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gleichzeitig vereinfacht wird. Zudem haben diese Veränderungen eine deflationäre Wirkung, da die entsprechenden Geschäftsmodelle in vielen Fällen auf tieferen Preisen basieren.
Die Zentralbanken kämpfen somit gegen die Wirtschaftsabschwächung und die Deflation an. Es fällt ihnen jedoch sichtlich schwer, das Ruder herumzureissen, obwohl sie äusserst aggressive, geldpolitische Massnahmen einsetzen. Anstatt nach neuen Möglichkeiten Ausschau zu halten, öffnen sie die Geldschleusen immer weiter und übersehen dabei, dass der Trichter viel zu klein ist und die Liquidität nicht mehr absorbiert werden kann. Eine solche Politik ist zum Scheitern verurteilt, da die Überschussliquidität in die Finanzmärkte fliesst (Abb. 2) und dort Verzerrungen schafft, die längerfristig unhaltbar sind, wie die künstliche Höherbewertung von bestimmten Vermögenswerten oder die Einführung von Negativzinsen.

Und alle diese Bemühungen, um einen Konjunkturzyklus ohne Rezession zu gewährleisten… Die Wirtschaft ist jedoch wie ein Mensch – sie muss ein- und ausatmen, und sie braucht sowohl den Tag als auch die Nacht. Den Tag endlos verlängern zu wollen, kann keine gewinnbringende Strategie sein!

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